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Lilith Amrad

Frisurentrends 2020 – Lilith Amrad im Interview

Lilith Amrad, Haar- und Make-up-Artistin, Session Stylistin, Coiffeur Coach

Vom Berufsanfang als Kostümassistentin über eine Make-up-Ausbildung hin zu einer der begehrtesten Session Stylistinnen – Lilith Amrads Weg ist ungewöhnlich. Heute profitiert sie von allen Etappen dieses Wegs. Sie hat das traditionsreiche Handwerk des Haarenähens für sich entdeckt und perfektioniert. Ihr Wissen gibt sie an Seminaren an Coiffeure weiter, unter anderem auch als Markenbotschafterin von Kevin Murphy und Eleven Australia. Ihr neustes Projekt ist HAIRSESSION, zweimal im Monat stattfindende Events an wechselnden Locations, bei denen sie den Kunden in Kunstateliers, Cafés oder anderen inspirierenden Orten die Haare schneidet und stylt. Im Interview berichtet Lilith über ihre verschiedenen Standbeine und gibt uns einen Ausblick auf die Frisurentrends in diesem Jahr.

Lilith, du hast dich auf das Haarstyling am Set bei Fotoproduktionen oder backstage bei Fashionshows spezialisiert. Viele Coiffeure würden solche Jobs auch gerne einmal machen und fragen sich, wie stellt man das an? Hast du Tipps für deine Berufskollegen?

Backstage zu arbeiten wird oft falsch verstanden. Das ist nicht etwas, was man ab und zu macht, um ein bisschen aus dem Salonalltag zu entkommen, sondern eine Entscheidung. Ein Weg mit viel Arbeit. Rückschläge und Auseinandersetzungen mit dem eigenen Ego gehören mit dazu. Gerade als Frau darf man sich nicht einschüchtern lassen von der Tatsache, dass gerade im Bereich Haare immer noch eine grosse Überzahl an Männern in der Branche ist. Man selber, genauso wie das private Umfeld, muss mit unregelmässigen Arbeitszeiten zurechtkommen und entsprechenden Schwankungen beim Einkommen.

Was ist bei der Arbeit am Set aus deiner Sicht der Unterschied zur Arbeit im klassischen Coiffeursalon?

Alles und nichts. Ein kreativer Ablauf ist und bleibt immer gleich, egal ob im Salon bei einem Designer, einem Grafiker oder bei mir am Set. Zuerst Ideen sammeln, Ideen bündeln, reflektieren, ob alle das Gleiche verstanden haben und dann umsetzen. Der Prozess vor der Umsetzung ist beim Job am Set insofern anders, dass ich nicht einen Kunden habe, mit dem ich mich abspreche muss, sondern diverse Leute am Set mitreden. Das ist am Anfang etwas verwirrend, weil man zuerst herausfinden muss, wie die Hierarchien aufgebaut sind.

Welche Eigenschaften braucht man, um so einen Job machen zu können?

Die beste Voraussetzung ist, wenn man sein Handwerk absolut liebt und bereit ist, sich darin immer weiterzuentwickeln. Alles andere kann man lernen. Wie zum Beispiel in meinem Fall mit Kritik umzugehen und zwar noch in derselben Minute, in der diese angebracht wird. Das war für mich das Schwierigste am Anfang. Ich habe immer alles gleich persönlich genommen. 

Lohnt sich das finanziell? 

Eine spannende Frage. Ob ich heute davon leben kann? Ja. Definitiv. Ob es sich lohnt? Für mich unbedingt, sonst würde ich heute aufhören. Ich weiss, was meine Arbeit wert ist. Meine Kunden wissen es auch, und sie sind bereit diesen Betrag zu bezahlen. Das ist ein unbezahlbar gutes Gefühl. Und hey, ich arbeite nicht für die Ferien, obwohl ich die inzwischen auch mag!

Du hast aktuell dein neuestes Projekt „pop up HAIRSESSION” lanciert, kannst du uns etwas darüber erzählen? Um was geht es dabei genau?

HAIRSESSION ist in erster Linie entstanden, weil ich es liebe Haare zu schneiden und gemerkt habe, dass es überall möglich ist. Ausserdem ist es mein Wunsch, lokaler zu arbeiten. Also habe ich mit HAIRSESSION ein Format geschaffen, in dem ich zweimal im Monat an verschiedenen Locations Haare schneide und style. Die Locations sind bisher vorwiegend Ateliers von Künstlern, schöne Cafés oder leerstehende inspirierende Räumlichkeiten. Falls ich aber mal Lust habe, kann das Ganze beliebig ausgebaut werden.

Eine deiner „Spezialitäten“ ist das Hairsewing. Was hat es damit auf sich? 

Haare mit einem Faden zu einer Frisur einzunähen ist eine alte Technik, welche vom Hochstecken mit Haarnadeln abgelöst wurde. Am Set vor allem an Fashion Shows, wo die Frisuren besonders gut halten müssen, ist es nichts Aussergewöhnliches. Ich selber liebe es eingenähte Frisuren zu tragen. Erstens sind sie enorm bequem im Gegensatz zu ihrem Pendant mit den Nadeln und zweitens hält die Frisur im besten Fall bis zu 4 Tagen, da ich problemlos und schmerzfrei damit schlafen kann. Ich habe diese Technik für mich entdeckt und perfektioniert. Vielleicht spielt da noch etwas meine Vergangenheit als Schneiderin mit rein. Ich gebe mein Wissen auch an Seminaren weiter, denn für mich ist diese Technik eine tolle Erweiterung im Umgang mit Haaren.

Du bist auch als Fachtrainerin für Coiffeure im Einsatz. Was machst du in diesem Bereich?

Ganz persönlich finde ich mein bestes Seminar natürlich das Sewing Seminar, welches ich auf Wunsch von Marcel Meyer von der  BLUE BOX entwickelt habe. Dort vermittele ich Coiffeuren das Basiswissen zum Einnähen von Haaren.  Dann darf ich zwei wunderbare Haarmarken vertreten: Kevin Murphy und Eleven Australia sind beides Haarkosmetik-Marken, die einen starken Fokus auf die Stylingprodukte legen und Styling-Seminare anbieten. Zudem unterrichte ich ein Format, welches sich auf die Kommunikation in einem kreativen Umfeld und den Umgang mit Stress konzentriert. Beides Themen, die wir wohl alle aus unserem Berufsalltag kennen.

Hast du ein persönliches „Lieblingshaarprodukt“?

Klar! Nur eines? An meinen Schulungen dürfen die Leute immer drei Produkte auf die einsame Insel mitnehmen. Als Foundation ist das bei mir Kevin Murphy Anti.Gravity kombiniert mit Staying.Alive. Dekorativ schwanke ich immer zwischen verschiedenen Produkten, aber mir wurde kürzlich gerade vorgehalten, ich hätte noch nie an einer der Shows, bei denen ich den Hair Lead mache, auf Super.Goo verzichtet. Das spricht wohl für sich. Dann gibt es natürlich Eleven Australia. Die Produkte verwende ich für einen komplett anderen Typ Mensch, nur schon vom Geruch her. Da liebe ich Sea Salt Texture Spray als Basis für absolut alles. Sie haben ein ganz aussergewöhnliches Produkt, Dry Powder Volume Paste, damit experimentiere ich gerade und entdecke jeden Tag Neues.

Du bist immer in Bewegung. Was wäre dein nächstes „Traumprojekt“ als Stylistin?

Ich habe innerhalb von sehr kurzer Zeit extrem viele meiner Ziele erreicht, was mich etwas orientierungslos gemacht hat. Kürzlich wurde ich von einer Fotografin gebucht, die für mich ein absoluter Rising Star am Himmel der Fotografie ist. Für das Shooting mussten wir wandern. Naiv wie ich war, habe ich sofort zugesagt. Wir haben an dem Tag ein komplettes Editorial fotografiert und sind dabei 10 Kilometer mit unserem Equipment in den Schweizer Bergen gewandert. Dieser Job war einer der intensivsten, die ich je erlebt habe und wir waren am Abend alle todmüde. Trotz aller Anstrengungen war der Tag besser als jedes Luxushotel oder das vermeintlich glamouröse Arbeiten im Ausland. Diese Kraft, die man im Team hat, übertrifft alles. Die möchte ich noch ganz oft erleben. Zum Beispiel mit meinem Team, das ich an den zwei Fashion Shows leite oder mit den Menschen, die meine Workshops besuchen und an Shootings. Dann wünsche ich mir natürlich, dass HAIRSESSION richtig gut ankommt.

Stichwort Trends: Hast du einen Trendausblick für 2020 in Sachen Haarstyling für Frauen und Männer?

Na ja, ich würde sagen der grösste Trend im 2020 sind eingenähte Frisuren. Ansonsten bleibt ein übergreifendes Thema: Mut zur Individualität und die Verschmelzung der Geschlechter. Frauen mit sehr maskulinen, kantigen Kurzhaarschnitten und Männer, die sich trauen einen soften, modern geschnittenen Mullet (Vokuhila) zu tragen. Die Vollbärte gehen etwas zurück, dafür kommt der Schnauz ganz à la Freddy Mercury zurück – nur bei den Herren versteht sich. Was für mich immer Trend sein wird, ist gesundes Haar!

Weitere Informationen: www.lilithamrad.ch

Credits: Claudia Link; Noemi Szabo; Lilith Amrad

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